Das behäbige Vorgehen der EU bei der Impfstoffbeschaffung hat die Bürgerinnen und Bürger enttäuscht. Europa muss aus diesen Erfahrungen die richtigen Schlüsse ziehen und sich rasch verändern.
Die Menschen erwarten mehr von der Europäischen Union.
In meinen letzten digitalen Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern hörte ich viel Verständnis für die komplexe Lage. Ja, die Pandemie ist eine Jahrhundertherausforderung. Ja, es dürfen Fehler passieren. Aber als Parlamentarier, dessen Aufgabe es ist, die Kommission und ihr Handeln zu hinterfragen, muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen: Diese Kommission hat nicht gut agiert und muss sich verändern, handlungsfähiger werden, um Krisen wie die derzeitige zu meistern. Passiert das nicht, verliert die EU nicht nur an Glaubwürdigkeit, sondern auch die Menschen und ihren Glauben an die europäische Idee.
Konkret muss die Europäische Union an diesen Stellschrauben drehen:
Digitalisierung: Bei der Digitalisierung und Datennutzung muss die EU besser werden. Wir brauchen eine Digital- und Datenunion, eine hochklassige digitale Infrastruktur, ein einheitliches Datenschutzrecht und gemeinsame digitale Bildungsstandards. Digitalisierte Länder wie Israel oder Taiwan sind bisher deutlich besser durch die Krise gekommen.
Pragmatismus: Die EU braucht strukturelle Reformen, die ihre Handlungsfähigkeit stärken. Gerade wird sie durch ihre unflexible Verwaltung gehemmt. Beispielhaft seien hier die zu lange Verhandlungen über Haftungsfragen beim Einkauf der Impfstoffe genannt. Ansätze sehe ich in der verbindlicheren Koordinierung der nationalen Zivil- und Katastrophenschutzkapazitäten sowie in gemeinsamen Notfallkapazitäten.
Beim Export von Impfstoffen und deren Bestandteilen kooperieren manche Länder nicht in ausreichendem Maße, während die EU sich solidarisch zeigt und mehr Impfstoffdosen exportiert als jeder andere. Die EU muss notgedrungen hierauf reagieren und notfalls temporäre Exportbeschränkungen für in der EU produzierte Impfdosen erlassen. Bei einem Exportkonflikt verlieren alle, darum kann er nur letztes Mittel sein.
Kommunikation: Es gibt viel Informationsbedarf über die Rolle der EU in der Pandemie. Anstatt falsche Erwartungen zu wecken und so Frust auszulösen, hätte die Kommission den Menschen von vornherein erklären müssen, wie die Abläufe sein werden. So wie es gelaufen ist, verspielt man Vertrauen. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Anrecht auf klare Informationen.
Bei aller Kritik dürfen wir nicht vergessen, dass die EU jahrelang grundlegende Forschungsarbeit unterstützt und damit ebenfalls dazu beigetragen hat, dass es überhaupt Impfstoffe in Rekordzeit gibt. Im zweiten Quartal wird die Anzahl der verfügbaren Impfstoffdosen rapide zunehmen.
Europas Zukunft hängt auch von der Bereitschaft ab, in Innovation und Forschung zu investieren. Als Ihr und Euer Europaabgeordneter werde ich im Haushaltsausschuss weiter dafür kämpfen, dass die EU-Mittel so eingesetzt werden, dass Europa auf die nächsten Krisen besser vorbereitet ist.
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